Dass wir große Fans vom Splitter-Verlag sind, ist kaum zu übersehen bzw. zu überlesen. Wir halten uns wöchentlich auf dem Laufenden und genauso oft gehen wir auch in den Comicladen unseres Vertrauens. Die Ausbeute beinhaltet mindestens ein glückliches Exemplar aus dem Hause Splitter, so wundert es auch nicht, dass wir inzwischen ein ganzes Bücherregal füllen. Aus unserer Sicht macht nicht nur die Vielfalt an Themen und Genre-Comics den Verlag so besonders, sondern auch die Formate und die super Qualität der gedruckten Produkte. So oder so, wir sind überzeugt, jeder wird hier fündig. Umso mehr freuen wir uns, dass wir ein paar Fragen rund um den Verlag und die Arbeit stellen konnten, die auch promt beantwortet wurden – auch hier spürt man die Leidenschaft, mit der die Arbeit verbunden ist. Ein kleiner Einblick in das Werken in Bielefeld und einige Insights zur Comicwelt – absolut wissens- und lesenswert!
#1 Wer bist du und was machst du genau?
Mein Name ist Max, und ich bin beim Splitter Verlag für Presse und Marketing zuständig. Das heißt, ich mache eigentlich alles, was nicht mit Redaktion und Lizenzen zu tun hat. Ich kümmere mich um unsere Pressekommunikation (Pressemitteilungen, Kontakt zu JournalistInnen, Presseschau), unsere Social Media-Kanäle (FB, Twitter, Instagram und das Comicforum), und entwerfe Marketingmaßnahmen und Werbemittel für das Programm. Hin und wieder bin ich auch im Außendienst und besuche Geschäftspartner wie Buch- und Comicläden. Das meiste davon mache ich aber nicht allein.
#2 Was ist am Splitter Verlag besonders?
Unser Credo ist es, immer für die Fans und Kunden zu arbeiten. Jeder Splitterianer ist selbst riesiger Comic-Nerd (auch wenn wir teilweise sehr unterschiedliche Geschmäcker haben), und unsere Firmenphilosophie richtet sich danach, was wir als Liebhaber von einem guten Comicverlag erwarten. Unser Programm ist extrem vielseitig, sodass für jeden was dabei ist, und unsere Comics haben mit den höchsten Qualitätsstandard hierzulande, was die Verarbeitung angeht, und das zu einem fairen Preis.
Wir brechen NIE eine Comicreihe ab, wenn es sich irgendwie verhindern lässt, und wir drucken jeden vergriffenen Comic nach. Außerdem sind wir der einzige Comicverlag in Bielefeld und somit quasi auf einer anderen dimensionalen Existenzebene.
#3 Was ist dein Lieblingscomic und warum?
Der Comic, der mich dazu gebracht hat, in dieser Branche arbeiten zu wollen, war „Fun Home“ von Alison Bechdel. Den habe ich in der Uni in einem Seminar gelesen. Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, wie genial Bechdel Bild und Text und kulturelle Referenzen zusammengefügt hat, desto begeisterter war ich von den Möglichkeiten dieses Mediums. Außerdem absolute Must Reads: „Watchmen“ von Alan Moore (duh), „Held“ von Flix und alles von Nicolas Mahler und Katz & Goldt. Auch wenn es keine Comics sind haben die älteren DC-Animationsserien („Batman“, „Justice League“, „Teen Titans“, „Young Justice“) einen besonderen Platz in meinem Herzen.
#4 Was macht dir am meisten Spaß an deinem Job? Was war dein lustigstes Erlebnis?
Lustig ist es bei uns eigentlich immer, denn wenn die halbe Belegschaft den ganzen Tag Comics liest (das nennt sich dann Lektorat), gibt’s immer was zu lachen. Wir kriegen auch viele Comics zugesandt, die wir nie übersetzen und verlegen, und die Sachen, die in Frankreich und Belgien erscheinen, sind teilweise schon merkwürdig (Stichwort Emo-Esel vs. Weltschmerz). Spaß habe ich persönlich am meisten beim Lesen und Texten. Ich teile meine Begeisterung für bestimmte Comics und Themen gerne, und das in Worte zu fassen, bereitet viel Freude. Das kommt euch bestimmt bekannt vor 😉
#5 Aus welchen Ländern stammen die meisten Comics aus eurem Sortiment?
Die meisten unserer Comics stammen aus Frankreich. Wir arbeiten mit jedem großen Comicverlagshaus dort zusammen und sind eigentlich in ständigem Austausch über kommende Titel. Frankreich hat eine deutlich (!) stärker ausgeprägte Comic-Kultur als Deutschland (fast jedes dritte Buch, das in FRA verkauft wird, ist ein Comic). In Deutschland erreicht uns davon nur ein Bruchteil, und wir versuchen, da am Ball zu bleiben. Tatsächlich haben wir aktuell das größte frankobelgische Comicsortiment hierzulande. In den USA gibt es auch viele spannende Verlage und Autoren, aber diese Lizenzen sind oft auch härter umkämpft, sodass wir da wählerischer sein müssen. Deutsche Comicprojekte unterstützen wir immer gern, allerdings liegt unser Fokus auch hier klar auf Fantasy und Sci-Fi.
#6 Gibt es bei Comics bestimmte Themen oder Geschichten, die immer funktionieren?
Natürlich 🙂 Bestimmte Autoren und Zeichner ziehen immer, z.B. die Sci-Fi-Comics von Leo, Western von Yves Swolfs oder Patrick Prugne und die Funnies von Peyo. Manche Serien sind auch ein Garant für zufriedene Leser, so z.B. „Die alten Knacker“, „Elfen“, „Undertaker“ und unsere aufwendigen Gesamtausgaben alter Klassiker.
Momentan läuft alles, was Steampunk ist, besonders gut, allen voran natürlich „Lady Mechanika“, aber auch ähnliche Comics wie „Die drei Geister von Tesla“ und die „H. G. Wells“-Reihe. Aber oft sind wir selbst überrascht (sowohl positiv wie auch negativ), denn der Comicmarkt ist sehr facettenreich und die LeserInnen auch.
#7 Wie wählt ihr eure Geschichten und Comics aus, die ihr verlegt? Wie trefft ihr die Entscheidung? Wie viele Anfragen erhaltet ihr im Monat?
Da wir primär mit ausländischen Lizenzen arbeiten, ist der Begriff „Anfrage“ vielleicht missverständlich. Einerseits beobachten wir das Programm der frankobelgischen und amerikanischen Verlage und suchen aktiv nach gutem Material. Andererseits schicken uns unsere Partner oft unangefragt neue Comics und Lizenzkataloge, die wir natürlich auch sichten. Und dann gibt es noch Autoren und Zeichner, die wir sozusagen „gebucht“ haben und bei denen wir jede Neuerscheinung zumindest erwägen, z. B. Christophe Arleston („Ythaq“, „Lanfeust“), Christophe Bec („Prometheus“, „Olympus Mons“) und Zidrou („Die Adoption“, „Percy Pickwick“).
Mehr oder weniger ausgearbeitete Manuskripte und Projektvorschläge aus Deutschland erhalten wir etwa zwei die Woche. Allerdings bevorzugen wir es, KünstlerInnen persönlich kennenzulernen, z.B. auf der MCC in Leipzig oder beim Comic Salon Erlangen. Und ein Projekt, das realistische Chancen hat, ins Programm aufgenommen zu werden, muss schon recht weit ausgearbeitet sein (komplettes Storyboard, Konzeptzeichnungen und ein paar Seiten Reinzeichnung) und natürlich zum Restprogramm passen.
Achso: Wir wählen vor allem nach Thema und Zeichenstil aus 😉 Da entstehen dann oft lange Diskussionen im Büro, da jeder andere Vorlieben hat. Andere Faktoren wie aktuelle Filme („The Death of Stalin“), Politik („Trump!“) oder ähnliches spielen manchmal auch eine Rolle.
#8 Was denkst du über das Thema „intellektueller Anspruch“ von Comics?
Das ist jetzt meine persönliche Meinung: Dass Comics Kinderkram sind, diese Annahme haben wir, glaube (und hoffe) ich, inzwischen hinter uns gelassen. Comics sind ein Medium, dass grundsätzlich jeden Inhalt vermitteln kann, wie Bücher/Filme/Schauspiel auch. Comiclesen muss erlernt werden, und anspruchsvolle Comics müssen LeserInnen sich erarbeiten. Legt mal jemandem, der noch nie mit dem Thema in Berührung gekommen ist, einen Comic von Chris Ware vor und fragt, ob der sich gut lesen lässt. Klar, es gibt auch easy reading, und auch Splitter hat davon einiges im Programm. Aber auch das ist in jedem anderen Medium genauso.
Es muss nicht alles im Feuilleton besprochen werden, aber so, wie man den Leuten gönnt, „Twilight“ zu lesen, „Fack ju Göhte“ zu gucken und sich Mario Barth anzusehen, sollten unterhaltsame Comics auch ein akzeptierter Teil der Unterhaltungskultur sein dürfen.
#9 Triffst du regelmäßig Autoren und Zeichner? Wenn ja, wo und weshalb genau?
Regelmäßig ja, aber nicht häufig. Wir sind jedes Jahr mit einem großen Stand auf der MCC Leipzig vertreten und laden immer einige KünstlerInnen ein, die Signierstunden geben. Und auch alle zwei Jahre beim Comic Salon in Erlangen bringen wir KünstlerInnen mit. Hin und wieder verirrt sich auch jemand in unser Büro in Bielefeld, aber das kommt eher selten vor, da die meiste Kommunikation per E-Mail läuft.
#10 Hast du schon einmal selbst einen Comic gezeichnet oder warst als Autor tätig?
Nein. Ich bin eher Fanboy 😉 Und ich habe meine Masterarbeit über Comics geschrieben, aber das ist deutlich weniger spannend.
#11 Was war/ist der meist verkaufte Comic aus eurem Sortiment? Wie viele Comics habt ihr aktuell im Lager und wie groß ist das?
Das ist schwer zu sagen. Der meistverkaufte Einzelcomic dürfte „Die alten Knacker“ Band 1 sein, wobei manche Evergreens wie „Alice im Wunderland“ auch sehr oft verkauft wurden. Und ältere Comics wie „Die Schiffbrüchigen von Ythaq“ Band 1 haben auch hohe Verkaufszahlen, u. a., weil vor 10 Jahren die Auswahl für Kunden noch nicht so groß war. Die Comicserie mit den meisten verkauften Exemplaren ist wohl mit Abstand „Storm“ gefolgt von „Thorgal“, davon gibt es aber auch schon 30 bzw. 35 Bände.
Aktuell haben wir ca. 1.500 lieferbare Einzeltitel. Unser Lager ist bei unserer Auslieferung PPM, die für uns den Versand besorgen. Schätzungsweise liegen dort 2 Millionen Comics von Splitter, Tendenz steigend.
#12 Was ist der Unterschied zu deutschen und ausländischen Comics?
Pauschal gesprochen keiner, denn die deutschen KünstlerInnen stehen ihren ausländischen KollegInnen in nichts nach, weder zeichnerisch noch von den Stories her. Tendenziell erscheinen in Deutschland nur wenige Genrecomics, denn Graphic Novels werden hier besser verkauft, während Frankreich und die USA davon überquellen. Und die Art der Präsentation der Themen ist auch etwas anders (meiner Meinung nach): In den USA sind Comics oft kühler und „härter“, ähnlich wie die amerikanischen Fernsehserien, während französische Comics oft freizügiger und humorbetonter sind (Faustregel: kein frankobelgischer Comic ohne mindestens eine Nacktszene).
#13 Über welches Thema/welche Themen sollte man deiner Meinung nach einen Comic verfassen und warum?
Ich glaube, inzwischen wurde über fast jedes erdenkliche Thema irgendwo irgendwann ein Comic gemacht. Manche sind vielleicht nicht besonders gut oder vollkommen unbekannt, aber Comics sind weit genug im Mainstream angekommen, dass man quasi alles finden kann. Ich persönlich würde mir in Deutschland mehr gut gemachte (!) Bildungscomics für Kinder und Jugendliche wünschen, v. a. für ökologische und politische Themen. Ich glaube, damit könnte man viele erreichen, die sich mit solchen Themen sonst nicht befassen würden.
#14 Hast du einen Tipp, welchen Comic man unbedingt gelesen haben muss?
Siehe oben. Aber wenn ich die Liste noch erweitern darf: „The Dark Knight“ von Frank Miller (nochmal: duh), „Lazarus“ von Greg Rucka, „Understanding Comics“ von Scott McCloud, „Magdas Apokalypse“ von Chloé Vollmer-Lo und mein persönlicher Geheimtipp aus unserem Programm: „Urban“ von Brunschwig und Ricci. Ansonsten wähle ich meistens nach KünstlerInnen aus, die ich besonders mag: Eduardo Risso, Rick Remender, Lee Bermejo, David Mazzucchelli, Brian Azzarello und Nicola Scott. Das reicht jetzt aber auch.
#15 Zum Schluss: Erzähle uns doch deinen Lieblingswitz!
Ich beziehe meine Qualitätswitze immer durch meinen Vater. Sowas:
- Egal wie dicht du bist: Goethe war Dichter.
- Egal, wie schnell du dir Skier anschnallst: Ed hat schon Sheeran.
- Oder: „ Herr Yoda, möchten Sie ein Statement zum schiefen Turm von Pisa abgeben?“ „Gerade nicht.“ „Trotzdem, vielen Dank.“
Alle Artikel und Comics zum Splitter Verlag findet ihr hier. Wir danken Max vielmals für das umfangreiche Antworten unserer Fragen und die damit verbundene Zeit. Das war richtig super!